Neeibuur Holger Alts wird Arvbuur

TRADITION Rund 60 Teilnehmer am Freitag bei der Herbstausgabe der Norder Theelacht
Sitzung und anregende Gespräche bei warmem Theelbier.

Voll besetzt war die Theelkammer im Alten Norder Rathaus am Freitagnachmittag mit rund 60 Arvburen, Koopburen und Pelsburen und weiteren Gästen. „Dat sünd anner leev Lüü (andere liebe Leute); erklärte Theelachter Remmer Hedemann, der zusammen mit Theelachter Dr. Hans-Hermann Briese die Herbstausgabe (Harfsttheelen) der Ekeler und Osthover Theelen an die Anteilseigner auszahlte. Am letzten Mittwoch hatten die beiden weiteren Theelachter Heiko Campen und Meene Schmidt bereits die Anteile für die Neegroder und Trimser Theelen ausgezahlt. Dabei wird pro Anteil nur der symbolische Betrag von einem Euro überreicht, der in vielen Fällen auch gleich wieder für die Theelkammer gespendet wird. „Arvburen können pro Theelbezirk nur einen Anteil besitzen, Koopburen haben bis zu 99 Anteile“, so Theelachter Remmer Hedemann. In der Frühjahrsausgabe werden die Theelbezirke Gaster, Hover, Linteler und Eber Theel bedient. Die Theelacht Norden ist die wahrscheinlich älteste bäuerliche Genossenschaft Europas, sie wurde wohl im neunten Jahrhundert gegründet, und zwar nach der „Normannenschlacht; in der die Wikinger von den Friesen vertrieben wurden und die siegreichen Norder Kämpfer ein großes Gebiet der Hilgenrieder Bucht zur gemeinschaftlichen Dauernutzung erhielten. Die Nachkommen dieser Kämpfer sind die heutigen Arvburen. Rechtlich den Arvburen gleichgestellt sind die „Pelsbhuren“, das sind die Ehemänner von Töchtern von Arvburen, die keinen männlichen Erben hatten. Ohne Stimmrecht sind dagegen die Koopburen, die Anteile von Arvburen erworben haben. Arvburen haben in der Regel nur einen Anteil pro Theelbezirk, durch „geschickt geplante Heirat“ kann auch in einem weiteren Bezirk ein Anteil dazugewonnen werden. Exzellent vorbereitet hatte Theelbaad (Theelbote) Theo Peters die Versammlung in den historischen Räumlichkeiten. Das Holzfeuer im Kamin wärmte die Teilnehmer, beim Licht von Petroleumlampen und Kerzenschein trafen nach und nach die Teilnehmer der Versammlung ein. Theelbaad Theo Peters kredenzte Tee und warmes Theelbier, dazu gab es selbst gebackene Krüllkoken (Neujahrskuchen). Seit neun Jahren ist Theo Peters für diese Aufgabe verantwortlich. In früheren Jahren sammelten die Theelboten die Pacht bei den Bauern der acht Theelbezirke ein, die Auszahlung der Anteile wurde schon damals in der Theelkammer in Norden vorgenommen. Im Laufe der Jahrhunderte musste die Theelacht ihren Grundbesitz aus finanziellen Gründen veräußern, sodass in der heutigen Zeit nur noch die Tradition gepflegt wird. Pünktlich zur Auszahlung war auch der Stadtdeener gekommen. Dieses Amt übernimmt seit mehreren Jahren der Polizeibeamte Harald Saathoff. Dreimal klopfte Theelbaad Theo Peters mit dem großen Klopfer auf den Tisch und verkündete: „Hört to ji Arvburen, well Geld to bören hett, de mut an de Tafel kommen!“ Einzeln kamen die Arvburen und auch die Koop- und Pelsburen zu den beiden Theelachtern Dr. Hans-Hennann Briese und Remmer Hedemann, stellten sich jeweils förmlich vor, warteten die Registrierung der Auszahlung in den dicken Kontobüchern ab und nahmen ihren Anteil entgegen. Zwischendurch liefen die angeregten Gespräche bei Kaminfeuer, dem warmen Theelbier und dem Rauchen der langen weißen Tonpfeifen, die mit einem Fidibus, bestehend aus Zeitungspapier des Ostfriesischen Kuriers, angezündet werden. Und Theelachter Heiko Campen gab Richard Genkinger aus Senden (bei Münster) bereitwillig Auskunft nun Thema „Pelsbuur; „Ich habe eine Frau, geborene Sassen, geheiratet, deren Vater einen Anteil im Neegroder Theelbezirk hat“, erzählte Genkinger im Gespräch. Dann hieß es von Theelbaad Theo Peters: „All Arvburen up de Däl“. Holger Alts aus Berumbur-Sandlage hatte sich schriftlich um ein „Antasten“ beworben, er möchte als Erbe seines verstorbenen Vaters Johann Alts Arvbuur werden. Sein jüngerer Bruder wird dagegen automatisch Arvbuur. Die Theelachter, die Arvburen und Holger Alts bildeten einen Halbkreis vor dem Kamin, Theelachter Heiko Campen stellte den Bewerber noch einmal vor, zwei Zeugen, Prof. Dr. Hans-Gerd Seeba und Heinz Schuster, bescheinigten Holger Alts einen guten Leumund. Auch die Frage nach dem „Eien un Plogen; dem Eggen und Pflügen, konnte Alts positiv beantworten. Keiner der Arvburen brachte Einwände gegen Alts vor, der damit zunächst für ein Jahr als „Neebuur“ bei einem halben Anteil aufgenommen wurde. Dann musste Alts henseln (knobeln), um die Anzahl der von ihm zu trinkenden Becher mit Bier zu ermitteln. Dreimal zeigte der (mit Sechsen auf allen Flächen) präparierte Würfel eine Sechs an. Von der Verpflichtung 18 Becher Bier zu trinken, konnte er sich allerdings mit 50 Euro für die Kasse der Theelacht „freikaufen“. Die Theelacht Norden und auch die beiden anderen ähnlich strukturierten alten Norder Genossenschaften Leegemoorgesellschaft und Altenbürgerlanden, die beide mit Abgesandten an der Auszahlung teilnahmen, sind reine Männergesellschaften, Frauen können keine Mitgliedschaft erwerben.