"Al de Arvburen unner dat olde Rathus"
Nach achtjähriger Pause wieder Theelacht in Norden
Wie aus dem Anzeigenteil ersichtlich, fordert die Theelacht „Al de Arvburen, de bearft sünd“, auf, nach alter Sitte und Gewohnheit in der Theelkammer zu Norden „unner dat Olde Rathus“ ihr Erbe in Empfang zu nehmen. Acht Jahre liegt es zurück, daß zum letztenmal die Erbbauern in der Theelkammer zusammen waren. Der Krieg verhinderte die Zusammenkünfte, denn als das alte Rathaus vor Brandgefahr geschützt werden sollte, mußten der Boden entrümpelt und der Dachstuhl mit einer Isoliermasse bestrichen werden. Man fand damals keinen anderen Raum, zur Aufbewahrung des Gerümpels als die Theelkammer,
die jahrelang einer großen Rumpelkammer glich. Als der Krieg vorbei und keine Feuersgefahr mehr zu befürchten war, wurde die Theelkammer wieder hergerichtet, aber an eine Theelausgabe war noch nicht zu denken, denn die Bestandteile, wie Torf, Bier, Tabak und Pfeifen, die nun einmal bei der Ausgabe der Theelen vorhanden sein müssen, waren nicht aufzutreiben. Noch einmal drohte die Gefahr der Beschlagnahme der Theelkammer. denn sie sollte als Wohnung eingerichtet werden. Aber die damaligen Stadtväter hatten Einsicht und Ehrfurcht vor der historischen Stätte der Stadt. Nachdem nun die wirtschaftlichen Verhältnisse sich gebessert haben, tritt auch die Theelacht aus ihrer Reserve heraus und ruft den Erbbauern zu: „AI Arvburen up Däl!“ Damit ist für die Theelacht wieder Friedenszustand eingekehrt, und wir wollen hoffen, daß der Friede nicht sobald wieder durch kriegerische Ereignisse gestört wird.
Die Theelacht, die ihren Landbesitz der Sage nach aus einer Normannenschlacht herleitet, die bei Norden stattgefunden haben soll und in der die Friesen, mit Unterstützung des Erzbischofs Remberd von Bremen, den Feind aus dem Lande vertrieben haben sollen, ist in ihrem tausendjährigen Bestehen eng mit der Heimatgeschichte der Stadt Norden verknüpft. Schon die Tatsache, daß die Theelkammer sich im Rathause der Stadt befindet und daß bei Austeilung der Theelen ein „Stadtsdeener“ zugegen sein muß, der für Ruhe und Ordnung zu sorgen hat, beweist die Verbundenheit der Theelacht mit der Stadt Norden. Auch die Kirche nahm sich früher der Theelacht an, denn vor etwa 200 Jahren erfolgte die Bekanntmachung über den Tag der Theelausgabe noch von der Kanzel der Ludgerikirche aus. Wenn sich auch im Laufe der Zeit vieles verändert hat, so ist die Theelacht doch Hüterin alten Brauchtums geblieben. Nichts wird hinzugefügt oder verändert. Wie bei den Urvätern, hat sich der Brauch bei der Theelacht erhalten und wird weiter gepflegt. Ebenso werden alle Rechte und Pflichten der Erbbauern heute noch nach germanischer Rechtsauffassung behandelt.
Dr. L. Hahn schreibt in dem Gedenkblatt, das die Ostfriesische Landschaft anläßlich der Tausendjahrfeier der Theelacht im Jahre 1936 herausgab: „Die Schicksale der Theelacht sind so eng mit dem Werden Nordens verknüpft, daß sich eine Geschichte der Stadt ohne eine Geschichte der Theelacht überhaupt nicht denken läßt“. Alle Heimatfreunde und diejenigen, die ein Interesse für Heimatgeschichte und alte Ueberlieferungen haben, weisen wir darauf hin, daß Radio Bremen am Montag, dem 5.Dezember, um 20.15 Uhr ein von unserem Theelachter Johannes Fleeth verfaßtes Hörspiel über die Theelacht sendet. In diesem Hörspiel wird das Wesen der Theelacht kurz erläutert und der Hörer in die Theelkammer versetzt, um den Verlauf einer Sitzung anzuhören, wie sie sich vor etwa 50 Jahren zugetragen hat. Unter der Regie von Eberhard Freudenberg ist ein sehr lebendiges und farbiges Spiel entstanden. Mitwirkende sind Mitglieder der Niederdeutschen Bühne Norden, u. a. Frerich Hokema, der die Rolle des Theelachters spricht und dem anwesenden Reporter In hochdeutscher Sprache über Entstehung und Brauchtum der Theelacht erzählt. (Norder Kurier 03.12.1949)