Die Theelkammer im Alten Rathaus

Ein zeitweiliges Streitobjekt zwischen Theelacht und Stadt Norden Am 15. September 1984 feierte die uralte Norder Weidegenossenschaft mit dem Namen „Theelacht“ ihr 1100jahriges Bestehen. Schon seit Jahrhunderten halt diese alte Weidegenossenschaft ihre Zusammenkünfte in der sogenannten „Theelkammer“ im Alten Rathaus zu Norden, gleich, ob aus Anlass der alljährlich zweimal statt- findenden „Ausgaben“, ob aus Anlass von Wahlen, der Abrechnungsversammlung alle vier Jahre oder sonstiger Theelachtsangelegenheiten.
Das alleinige Nutzungsrecht der Theelacht an der Theelkammer ist seit 1897 im Grundbuch der Stadt Norden für das Alte Rathaus eingetragen und damit gesichert. Das war nicht immer so, insbesondere nicht, nachdem 1861 das Eigentum an diesem Gebäude von der lutherischen Kirchengemeinde Norden auf die Stadt Norden übergegangen war.
Im Folgenden wurde einmal zusammengefasst, was sich insbesondere zwischen 1829 und 1901 hinsichtlich der Nutzung der Theelkammer getan hat. In einem alten Theelbuch findet sich in einem 1651 gefertigten Protokoll der Vermerk, daß man „in der Tehl-Cammer“ zusammengekommen war. An einer anderen Stelle heißt es, gleichfalls 1651, nur „unter dem Rathaus“, gemeint ist aber der gleiche Raum. Es wurde schon immer bei der Einladung zu den Zusammenkünften der  heelacht diese Formulierung verwendet, z. B. im 17. Jahrhundert, als diese Einladungen von den Kanzeln in Norden und Hage verlesen wurden, stets „under dath Rat-Hues“, heutzutage in den Zeitungsanzeigen „unner dat olle Rathuus“.
Auch Wenckebach führt in seinem 1759 erstmals gedruckten „Jus Theelachticum“ ein Protokoll an, das 1681 „in der gewöhnlichen Theelkammer“ geschrieben worden ist; damals war sein Vater Syndicus der Theelacht (auch „Theelachts-Advocat“ genannt).
Aus dem Attribut „gewöhnlichen“ ist unschwer abzulesen, dass die Angehörigen der Theelacht ganz selbstverständlich in der Theelkammer zusammenkamen und sehr wahrscheinlich schon seit langer Zeit. Leider ist bisher urkundlich noch nicht festgestellt worden, seit wann dieses Nutzungsrecht der Theelacht bestand, doch darf man wohl annehmen, daß das spätestens seit dem Wiederaufbau des um 1531 zerstörten Rathauses der Fall war, also seit 1542; vielleicht bestand das Recht schon am Vorgängerbau. Zu Zeiten, in denen es drunter und drüber ging, ist die Theelkammer auch „zweckentfremdet“ worden. So wurde sie z. B. im Appellkrieg 1724 bis 1727 von den dänischen und kaiserlichen Truppen als Wachtlokal benutzt, und auch im ersten Weltkrieg war das nach Aussage älterer Mitbürger so. Aber dies blieben Ausnahmen.
Eigentümerin des Rathauses war ursprünglich die Kirchengemeinde Norden. Die Stadt Norden hatte allerdings ein weitgehendes Mitbenutzungsrecht: Es logierten die städtische Kanzlei, die Kämmerei, das Stadtgericht, das Eichamt; auch der südliche Keller sowie der Turm wurden von der Stadt genutzt, und oben im Turm war seit dem 16. Jahrhundert das Gefängnis eingerichtet, noch heute an den vergitterten Fenstern erkennbar. Die Theelkammer aber nutzte die Theelacht allein. Es ist verständlich, daß die Stadt Norden gerne Eigentümerin des Gebäudes werden wollte, aber bis dahin galt es noch, einen weiten Weg zurückzulegen.
Zwar gab es 1830 schon ernsthafte Verhandlungen. Zum Erfolg führten sie jedoch erst 1861, also nach dreißig Jahren. Die Verhandlungen von 1830 boten für die Theelacht den Anlaß, ihre an- gestammten Rechte an der Nutzung der Theelkammer beim Amt Norden protokollarisch festhalten zu lassen. Vielleicht befürchtete man schon damals, was später auch eintrat: daß man ihr nämlich das alleinige Nutzungsrecht an der Theelkammer streitig machen wurde. In dem am 10. August 1830 vor dem Amt Norden aufgenommenen Protokoll heißt es:
Nachdem den Comparenten (also Theelachtern) die bisherigen Verhandlungen wegen Abtretung des Rathhauses zu Norden von der Kirche an die Stadt vorgehalten wurden, erklärten sie:
Die Theelacht könne und wolle den vierhundertjährigen Besitzstand, nach welcher sie ihre Versammlungen in der sogenannten Theelkammer im Rathhause halte und auch Papiere etc. dort aufbewahre, keineswegs aufgeben, sondern diesen Besitzstand in seinem ganzen Umfange behaupten. Dagegen könne es ihr völlig gleichgültig seyn, ob die Kirche oder die Stadt Eigentümerin des Rathhauses sey, indem die Stadt, wenn sie das Gebäude übernehme,auch zu den Pflichten verbunden seyn werde, welche die Kirche rücksichtlich desselben obgelegen hatten.
Das war recht deutlich. Dabei hatte die Theelacht erst 1829 dem Wunsche der Stadt Norden entsprochen, die Theelkammer für die neu gegründete Gewerbeschule mitbenutzen zu können. Allerdings machte die Theelacht auch gleich Vorbehalte geltend. Ein Schreiben an „die wohllöbliche Kirchen-Direction hierselbst“ lautet nämlich:
Wenn ich von dem Theelachter Knoll vernommen habe, daB es in Vorschlag gebracht ist, die sogenannte Theelkammer zu einer künftigen Lehrstube einzurichten, wo Handwerker und Künstler sollen gebildet werden, so wollen Euer Wohlgeboren mir erlauben, daB ich im Namen der Theelacht folgende Bemerkungen verlautbare:
1. Die Theelacht kann es zwar gerne geschehen lassen, daß die Theelkammer reparirt und  weckmäßig eingerichtet werde, jedoch reservire ich mich in q.q., daB die grau gewordenen Rechte des Theelachts an diesen Locale keineswegs durch irgendeinen anderen Gebrauch, we1cher da von gemacht werden soll, geschmälert werde, und also jeder andere‘ Gebrauch der Theelkammer dem Theelachte Platz machen müssen, sobald eine Aufforderung erfolgt, daß diese darin sich versammeln und ihre Arbeiten verrichten wollen, einräumen, folglich die ganze Stube ohne alle und jede Einschränkung in solchen Fallen dem Theelachte eingeräumt uberlassen werde;
2. daß die Theelacht sich nicht dazu verstehen kann, die reparatur Kosten theilweise zu übernehmen, zumal da das ganze Gebäude der Kirchengemeinde gehört und also die vorkommenden reparatur Kosten auch aus der Kirchen Casse müssen bestritten werden, so wie dieses auch bisher geschehen ist;
3. wenn aber Euer Wohlgeboren geneigen machten, die erwähnte Theelkammer folgendermaßen verbessern zu lassen, daB nemlich
a) in dem Hinter-Wande zwey neue Fenster angebracht,
b) einen hölzernen FuJ3boden, u. diesen pl.m. 2 FuB höher gelegt,
c) der alte Feuerheerd weggenommen und dafür einen zweckmäßigeren Heerd gebauet oder einen passenden Ofen gesetzet, und
d) der Boden unterkleidet oder gewäldert werde, dann offerirt die Theelacht zu den desfälligen Kosten ein für allemal und ohne alle Verbindlichkeit für die Folge eine Summe von Rthlr. 25 PrCourt hergeben zu wollen. Ich bitte gehorsamst, diese Erklärung bey den Acten aufzunehmen und bin übrigens Euer Wohlgeboren gehorsamer Der Theelachts Sachverwalter Alberts, Norden, d. 20. July 1829. Eine Antwort auf dieses Schreiben ist nicht bekannt, doch haben in der Theelkammer bald danach Arbeiten durchgeführt werden können – man ist sich also wohl einig gewesen. Auch die 25 Reichsthaler Preußisch Courant sind bald bezahlt worden, wie das folgende Schreiben an die Herren B. Knoll und Böhming zeigt:
Meine Herren!
Die beiden Zimmerleute Bela Bela und Nesso, welche den angenommenen Arbeit im Theelachtsstube vollführt, und von uns gastern abent ist abgenommen und nichtig befunden, über welche wir auch schon heute vormittag ihre Rechnung attestirt haben, kommen nun ihrer Aussage nach in Geldverlegentheit, weil der Bürgermeister Conerus heute vormittag verreist sey. Sollte nun recht wohl einer von Sie die verlegentheit der Beiden Annehmers helfen können, um an denselben 25 Rthlr. abschlaglich gegen Quittung zahlen zu konnen, mein erachtens können Sie es ohne bedenken an denselben  auskehren, so dient der Quittung nacher zur Deckung dessen.
Norden, d. 15. Aug. 1829 Dero Freund H. Steevens
Die Bitte hatte Erfolg, die „Geldverlegentheit der Annehmers“ konnte behoben werden, sie quittierten gleich auf dem obigen Schreiben wie folgt:
Das wir unten benannten fünfundzwanzig Rthlr. von Hr. Tehlachter Knoll Erhalten haben a. 15. August 1829 bezeugen wir. J. H. Bela u. W. J. Nesso Zwischen Anfrage und Ausführung lagen kaum vier Wochen. Es ist aber nicht alles durchgeführt worden, was die Theelacht gewünscht hatte. Gut sechs Jahre später schreibt die Theelacht nämlich an Burgermeister Conerus:
Wenn sich die hiesige Theelacht auch gerne einverstanden damit erklärt daB es Zweckmäßig sey, die Theelkammer mit einer Decke unter dem Bode zu versehen, indem dadurch ein viel schöneres Aussehen beschehrt werden wird, und aus ihrer Casse zur Bestreitung der desfälligen Kosten zehn Reichsthaler Pr.Ct. mit. Vergnügen hergeben will, jedoch ohne Consequenz hinsichtlich künftiger Übernahme von Reparaturkosten; so glaubt die Theelacht, da die Theelkammer jetzt zu mehreren Zwecken in Gebrauch genommen wird, Bey erwarten zu müssen, daß sie in ihren alten Rechten hinsichtlich des Gebrauchs dieser Theelkammer ja nicht gestöhrt und sie vor allen anderen stets und allzeit den Vorzug behalten, so oft wie die Theelacht es für nöthig findet, von der erwähnten Stube einen unbeschrankten Gebrauch zu machen, und wird der Herr Burgermeister Conerus gehorsamst gebeten diese Information den betreffenden Acten beilegen zu wollen.
Norden, den 20. Dezember 1836, Nahmens der Theelacht Der Syndicus Alberts
Die 1829 gewünschte Decke ist also 1836 noch nicht hergestellt gewesen, aber die Theelacht gibt nochmals zehn Reichsthaler zu den entstehenden Kosten. Es muß im übrigen doch immer wieder unterschiedliche Auffassungen über das Recht der Theelacht am Gebrauch der Theelkammer gegeben haben, sonst wäre ihr Standpunkt dazu sicher nicht so deutlich herausgestellt worden, wie das im letzten Teil des Schreibens geschehen ist. Natürlich kam es auch vor, daß Ärgernisse durch die Theelacht oder den Theelboten verursacht wurden. So schrieb am 8. Januar 1840 Burgermeister Conerus an die Theelacht:
Wenn die verschuldete Gewerbe-Schul-Casse der reichen Theelacht ein respektables Local verschafft, wozu Letztere praepostionaliter nur ein kleiner Beitrag geliefert, so habe ich solches von dem guten Willen der Herren Theelachter abhängig machen müßen. Daß aber auf Kosten dieser Schule die durch die Theelachts-Versammlung veranlaßte Verunreinigung des Locals auf Kosten der Schul-Casse abgeholfen werden muß, scheint mir mit der Billigkeit nicht zu stimmen, und ich glaube, die Herren Theelachter werden hierin mit mir einverstanden sein: daß der Theelbothe dafür sorge, daB das Local nach gemachtem Gebrauche wieder in status quo gebracht werde. Bisher wurde es von der Schule rein überliefert, von der Theelachts-Versammlung aber so verlassen, daß eine Reinigung und Zusammensuchung der Schul-Utensilien nothwendig war, welches für Rechnung der Schule wohl nicht verlangt werden kann. Da solches aber den Herren Theelachtern wohl nicht bekannt ist, so ersuche ich, diesen Uebelstand durch gemessene Instruction an den Bothen abzuhelfen. Theelachts-Syndicus Alberts ist der Sache nachgegangen und hat Bürgermeister Conerus am 20. Januar 1840 geantwortet:
Dem Herrn Burgermeister Conerus erwidern wir auf das erhaltene Erinnerungsschreiben vom 8. d. M., wegen angeblicher Nachlässigkeit des Theelachtsbothen Ufen, daB wir denselben darüber zur Rede gestellt haben, und wenn er auch behaupten wollte, daB er unschuldig sey und mit Zeugen beweisen könnte, daB er jedesmal nach Auszahlung der Theele die Theelkammer rein gemacht habe, so ist demselben demohngeachtet doch aufs ernstlichste bedeutet worden, daB er auch in dieser Stube stets keiner Pflicht enthoben und die Theelkammer rein zu halten sich befleißigen müBte, so wie auch ein ähnliches von dem Vorsteher der Gewerbeschule erwartet werde. Der Theelbote wurde übrigens am 23. Januar 1840 schriftlich verwarnt und auf seine Pflichten hingewiesen. Er möge sich
künftighin für dergleichen Nachlässigkeiten in Acht nehmen, damit die Theelacht solchen unangenehmen Klagen überhoben bleibe. Man sieht die Theelacht bemühte sich, alles zu vermeiden, was zu Unstimmigkeiten im Verhältnis zur Stadt Norden führen konnte. Die Anspielung von Burgermeister Conerus auf den „kleinen Beitrag“ der Theelacht bei der Einrichtung der Theelkammer als Gewerbeschule ließ der Theelachts-Syndicus aber auch nicht unwidersprochen:
Was die Bemerkung über das Local betrifft, so wollen wir uns auf die darüber vorhandenen Acten beziehen, wonach die Theelacht auf ihr altes wohlerworbenes Recht an der Theelkammer nicht verzichtet, vielmehr nur bedingungsweise zugestanden hat, daB die Gewerbeschule darin abgehalten werden könnte, vorzugsweise aber das Local, so wie früher immer, zum Gebrauch der Theelacht in Anspruch genommen ist, und laut Übereinkunft hat die Theelachts-Casse zur Verschönerung des Locals verhältnismäßig beigetragen. Damit war die Sache erledigt, und zwanzig Jahre lang horte man nichts von Streitereien über die Benutzung der Theelkammer. Dann aber kam eine Zeit, in der sich sogar gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen der Theelacht zu Norden und der Stadt Norden ereigneten.
Begonnen hatte es damit, daß 1860 die Verhandlungen zwischen der Stadt Norden und der Kirchengemeinde Norden wegen der Übertragung des Rathauses an die Stadt in ein konkretes Stadium traten. Wieder, wie schon früher, erinnerte die Theelacht an ihre Rechte wegen Benutzung der Theelkammer, die sie keineswegs angetastet wissen wollte. Der Syndicus der Theelacht trug in das Protokollbuch der Acht dazu folgenden Vermerk ein: Bei der am 13. März 1860 stattgefundenen Choralversammlung ist nachstehende Wahrung zu Protokoll gegeben: Als Syndicus der Theelacht will ich hiermit derselben diejenigen Gerechtsamen wahren, welche ihr seit mehr als 200 Jahren in der ungestörten Benutzung der sog. Theelkammer etc. des Rathhauses zu ihren regelmäßigen oder unregelmäßigen Versammlungen nach altem Brauch zustehen, für den Fall, daß die heutige Choralversammlung eine Übertragung des Rathhauses in den Besitz der Stadt Norden beschließen machte. Reemt Uven Damit war unmittelbar vor dem Übergang des Eigentums am Rathaus von der Kirchengemeinde Norden auf die Stadt Norden der Standpunkt der Theelacht nochmals klar und deutlich herausgestellt worden. Es hat auch zunächst keine Differenzen gegeben, jedenfalls finden sich dazu keine Angaben in den Unterlagen der Theelacht. Aber im Dezember 1866 gab es dann den Ärger, der zum ersten Prozeß der Theelacht gegen die Stadt Norden fuhren sollte. Es wurde eine  ußerordentliche Theelachtsversammlung einberufen, über die im Protokollbuch der Theelacht unter dem 18. Januar 1867 folgendes zu lesen ist:
Nachdem von Seiten der Stadt bzw. des Bürgermeisters Taaks zu Norden bei Austheilung der Herbsttheelen der Theelacht dadurch in ihrem Rechte zu nahe getreten ist, daß auf seine Anordnung die Theelkammer, während der beiden Wochen, wo sie stets, wie auch im Frühjahr, zum alleinigen  nbehinderten Gebrauch der Theelacht disponible gewesen, zu anderen Zwecken in Anspruch genommen und durch die Bürgerwehr ohne Genehmigung der Theelachter des Abends als Aufenthaltsort für die Nacht besetzt ist, sind die betreffenden Erbbauern auf gehörige althergebrachte Weise zusammenberufen um zu berathen, wie dem Verfahren des Bürgermeisters Taaks zu begegnen sei. Um sich in ihren alten Rechten hinsichtlich des unbeschränkten Gebrauchs der Theelkammer zu ihren Zwecken fernerhin nicht stören lassen zu brauchen, faßten die unterzeichneten Erbbauern den einhelligen Beschluß, den Magistrat der Stadt Norden wegen vorgefallenen Eingriffs in unsere Rechte gerichtlich zu beklagen und beauftragen sie hierdurch die Theelachter, einen Prozeß dieserwegen anzustellen und, wenn nöthig, in allen Instanzen durchzufuhren und die Kosten aus der Theellachts-Casse zu bestreiten, auch wenn dieser Prozeß, wider Erwarten, für die Theelacht nicht günstig ausfallen sollte. (Es folgen die Unterschriften).
Der Beschluß wurde unverzüglich in die Tat umgesetzt. Schon am 31. Januar 1867 reichte der Advocat Russell namens der Theelacht folgende Besitzklage gegen die Stadt Norden beim Königlichen Amtsgericht Norden ein:
In dem hiesigen Rathhause befindet sich unten links vom Eingange eine große Stube, welche seit undenklichen Zeiten die Theelkammer heißt. Diese Theelkammer ist seit ebenso langer Zeit im unbestrittenen Besitz der Theelacht gewesen, welche dort jährlich ungestört und zu jeder beliebigen Zeit ihre Versammlungen gehalten hat. Schon Wenckebach führt in seinem Theel-Recht von 1759 diese Theelkammer an und zitiert auch aus früherer Zeit Beschlüsse, welche hier von der Theelacht erlassen sind.
Das Gebäude gehörte früher der Kirchengemeinde Norden und ist von dieser nie der Besitz der Theelacht angefochten worden, vielmehr in dem Abtretungscontract an den Magistrat ausdrücklich gesagt, daß Gewähr wegen der Kammer der Theelacht gegenüber nicht übernommen werde.
Als die Gewerbeschule in diese Theelkammer gelegt wurde, ist die Theelacht vom Magistrat um ihre Genehmigung gefragt, welche solche ertheilt hat. Die Theelacht hat nun jährlich in diese Theelkammer mindestens 30 Jahr hindurch ungestört einige Mal ihre Versammlungen gehalten bis auf die letzte im December v. J., wo die Theelacht zum ersten Mal in ihrem Besitz durch den Magistrat der Stadt Norden gewaltsam gestört worden ist. Die Versammlungen der Theelacht dauern nemlich 2mal im Jahre mehrere Tage, um den fälligen Theel an die Berechtigten auszutheilen und ist es seit Jahrhunderten Gebrauch, daB bei dieser Gelegenheit den Berechtigten s.g. Theelbier kostenfrei verabreicht wird. Um solches wie die Bücher der Theelacht und andere Utensilien für die am nächsten Morgen stattfindende Versammlung zu sichern, hatte die Theelacht wie auch in früheren Jahren dieses Jahr im December die Theelkammer die Nacht über verschlossen. Der Magistrat indeß hat gewaltsam das Schloß und gewaltsam bei Nacht die Theelkammer geöffnet und auf Grund der Nacht solche der so genannten stillen Wache zum Aufenthalt angewiesen. Die Theelacht sieht in dieser Handlung eine gewaltsame Störung ihres Besitzes und will solche nicht dulden. Die Mitglieder der „Theelacht haben nach Vorschrift ihrer Statuten den Beschluß gefaßt, deswegen Klage zu erheben und haben die in rubro aufgeführten Theelachter mich mit Erhebung derselben beauftragt. Ich bitte deshalb um Ansetzung eines Verhandlungstermins, in welchem ich beantragen werde, dem Verklagten im Wege des Besitzprozesses bei 25 RThlr. Strafe jede Störung des Besitzes . .. zu untersagen.
Eine Abschrift dieser Klage wurde, wie der Gerichtsvogt Alms bescheinigte, am 2. Februar 1867 dem Burgermeister Taaks persönlich ausgehändigt. Der erste schon auf den 26. Februar 1867 anberaumte Verhandlungstermin ist auf Wunsch des Vertreters des beklagten Magistrats, Advocat Franzius, auf den 15. März 1867 vertagt worden. Dem Magistrat scheint bei der Klage nicht ganz wohl gewesen zu sein; im Protokoll der Verhandlung vom 15. März 1867 steht nämlich zu lesen, daß der Advocat Franzius für den Beklagten „zu vernehmen gab“:
Der Magistrat zu Norden wolle anerkennen, daB die Theelacht sich im Besitze der im unteren Geschosse des Rathhauses dahier befindlichen sog. Theelkammer sich befinde; indem er sich damit für sachfällig erkläre, übernehme er die Kosten des Processes.
Die Theelacht hatte also obsiegt, der Magistrat hatte die Rechte der Theelacht an der Theelkammer ohne jede Einschränkung anerkannt. Man sollte meinen, daß damit die Rechtslage eindeutig geklärt gewesen sei. Aber man könnte fast mit Wilhelm Busch sagen: „Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich.“ Denn schon knapp vier Wochen später gab es wiederum Ärger. Im Protokoll-buch der Theelacht ist über eine Theelachtsversammlung vom 3. Mai 1867 u. a. folgendes festgehalten:                                                                                                                                                                                                                                In Folge gehörig geschehener Einladung in Sachen der Theelacht mit dem Magistrat der Stadt Norden hatten sich die unterzeichneten Theelachter nebst Erbbauern eingefunden. Die genannten Herren Theelachter trugen vor, daß die Theelacht abermals in ihrem Besitz gestört sei, indem in der Nacht vom 10ten auf 11ten April das Vorhängeschloß abgebrochen und die Theelkammer, in welcher die sämtliche Utensilien nebst einem Reste Theelbier vorhanden, in Besitz durch den Rathsdiener Deuts genommen wurden. Sie erklärten deshalb, daß die Theelacht sich wegen dieser Besitzstörung nicht beruhigen könne, und stellten zur Erwägung, ob man den genannten Rathsdiener Deuts vor das  Schöffengericht ziehen soll.
Diesem Antrag wurde einstimmig entsprochen und dem Advocaten Russell Vollmacht erteilt, die Theelacht in diesen Angelegenheiten mit dem Magistrat der Stadt Norden zu vertreten, wobei alles genehmigt wurde, „was der genannter Mandatar thun und lassen wolle“.
Das Verfahren hat sich lange hingezogen. Am 1. April 1868, also fast ein Jahr nach der erneuten Besitzstörung, trat der Magistrat an die Theelacht mit der Bitte heran, den vor dem  öniglichen Amtsgericht Norden anstehenden Termin auf seine Kosten aufzuheben, um durch gütliche Verhandlungen die schwebenden Streitigkeiten zu beheben. Am 4. April 1868 stimmte die Theelacht, der ja an einer gütlichen Einigung mit dem Magistrat gelegen war, der Bitte zu und bat um „baldthunlichste Mittheilung desfallsiger Propositionen“. Der Magistrat schlug am 9. April 1868, allerdings unter Vorbehalt der Genehmigung durch das Bürgervorsteher-Collegium, folgenden Vergleich vor:
1. Der Magistrat erkennt an, daB die Theelachter das Recht haben, die s.g. Theelkammer im unteren Stocke des Rathhauses zur Austheilung der Theelen 4 Tage im Dezember und 4 Tage im März jeden Jahres und zur Rechnungslegung alle 4 Jahre einen Tag ausschließlich zu benutzen.
2. Der zwischen der Theelacht und dem Magistrat erhobene Proceß wird sistiert.
3. Die Stadt Norden trägt die Proceßkosten. Diesem Vorschlag konnte die Theelacht natürlich nicht zustimmen, denn dann hätte sie ja praktisch ihre Rechte an der Theelkammer aufgegeben; nur noch zweimal vier Tage alljährlich und ein Tag alle vier Jahre wären ihr verblieben.
Daher wurde dem Magistrat am 14. April 1868 mitgeteilt, daß die von ihm vorgeschlagenen Punkte für einen Vergleich nicht ausreichten. Zugleich wurde folgender Gegenvorschlag gemacht:
1. Der Magistrat erkennt an, daB die Theelkammer im unteren Stock des Rathhauses alleiniges Eigenthum der Theelacht ist.
2. Die Stadt Norden trägt die bis dahin in dem zwischen dem Magistrat und der Theelacht schwebenden Proceß erwachsenen Kosten.
3. Nach Magistratseitiger Anerkennung der vorhergegangenen Puncte wird der zwischen dem Magistrat und der Theelacht erhobene Proceß sistiert.
4. Anlangend die Benutzung der Theelkammer für die Gewerbeschule können solche nur als Vergünstigung und jederzeit von Seiten der Theelacht widerruflich bewilligen, und zwar unter Vorbehalt, weil ein etwaiger Beschluß der Erbbauern vollständige SchlieBung des Locals zur Folge haben könne. Die Vergleichsverhandlungen zogen sich noch einige Wochen hin. Der vom
Advokaten Russell am 6. Juni 1868 entworfene und am gleichen Tage auch vom Magistrat genehmigte Vergleich hatte schließlich folgenden Wortlaut:                     1. Der Magistrat der Stadt Norden erkennt an, daß die Theelacht sich im Besitze der im unteren Geschosse des Rathhauses zu Norden befindlichen sog. Theelkammer befinde.
2. Derselbe übernimmt sämtliche durch den genannten Proceß entstandenen Kosten, wogegen
3. die Theelacht die eingeleitete Klage wegen Erkennung einer Strafe zurücknimmt.
Die Theelacht stimmte in einer eigens einberufenen Versammlung vom 15. Juni 1868 diesem Vergleich zu.
Wer nun glaubt, daß von da an ein ungetrübtes Verhältnis zwischen der Theelacht zu Norden und der Sadt Norden bestanden habe, befindet sich im Irrtum. Zwar kam es nicht wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, aber es gab immer wieder kleine Querelen.
Im Herbst 1869 hielt die Theelacht es für notwendig, die Theelkammer instandzusetzen, wofür gar ein Kredit von 80 Reichstalern bereitgestellt wurde.
Ende Dezember 1869 wurde der Magistrat gebeten, seinen Schrank aus der Theelkammer herauszunehmen, damit die Wände gehörig gereinigt werden konnten. Der Magistrat kam dies er Bitte auch nach, machte aber in einem Schreiben vom 31. Dezember 1869 darauf aufmerksam, daß die Stadt unbedingt Eigenthümerin der Theelkammer ist und Vornahme etwaiger Veränderungen nicht zugeben kann, ohne daß sie dazu ihre Genehmigung ertheilt hat, und daß der Theelacht kein weiteres Recht an der Theelkammer zusteht, als die Theelen zweimal jährlich zu vertheilen.
Sozusagen auf kaltem Wege versuchte die Stadt Norden also, der Theelacht wiederum die Rechte streitig zu machen, die sie erst anderthalb Jahre zuvor in einem gerichtlichen Vergleich anerkannt hatte. Der Theelacht lag nichts an eine neuen Streit, sie überging die Ausführungen wegen des Benutzungsrechts an der Theelkammer. Am 21. Januar 1870 erläuterte sie nur, daß lediglich „eine Verschönerung des Locals“ beabsichtigt sei, und zwar dadurch, daß „dem Plafond, den Wanden sowie den sich darin befindlichen Holzteilen ein geschmackvoller Anstrich gegeben“ werden sollte.
Damit war der Magistrat auch einverstanden. Er wies allerdings am 26. Januar 1870 nochmals darauf hin, daß eine vorherige Genehmigung erforderlich sei, damit „nicht die zwischen Stadt und Theelacht bestehenden Rechtsverhältnisse in Beziehung auf die Theelkammer verwischt werden und so zu einer beiden Theilen nachtheiligen Unklarheit Anlaß gegeben werde“. Die Stadt sei Eigentümerin des Rathauses, der Theelacht stehe an der Theelkammer nur ein servitutisches Nutzungsrecht zu.
Danach trat Ruhe ein. Vorsichtshalber erwirkte jedoch die Theelacht bei Anlage der Grundbücher folgende Eintragung in dem das Norder Rathaus betreffenden Grundbuch:
Vormerkung zur Erhaltung des Rechtes auf ausschließliche Benutzung der im unteren Geschosse des Rathhauses belegenen sogenannten Theelkammer Seitens der Theelacht, auf Grund Antrags vom 28./31. März 1874 eingetragen am 4. April 1874.
Hiergegen hat die Stadt Norden niemals etwas unternommen, und als am 7. Juli 1897 die Theelacht an den Magistrat mit dem Wunsch herantrat, diese Vormerkung in eine endgültige Eintragung umzuwandeln, hatte dieser nichts dagegen, es durften der Stadt Norden nur keine Kosten entstehen. So wurde denn am 9. August 1897 nachstehende Eintragung im Grundbuch vorgenommen:
Recht auf ausschließliche Benutzung der im unteren Geschosse des Rathhauses belegenen sogenannten Theelkammer Seitens der Theelacht zu Norden.
Diese Eintragung besteht noch heute, und es hat denn auch seither keine Verärgerungen mehr wegen der Benutzung der Theelkammer zwischen der Theelacht und der Stadt Norden gegeben.
Eines aber hat doch noch recht lange gedauert: Es vergingen wiederum vier Jahre, bis die Theelacht nicht nur einen Schlüssel zur Theelkammer erhielt, sondern auch einen zur Haustür des Rathauses. Ein erster Antrag wurde abgelehnt „mit Rücksichtnahme auf die Haftlokale“, die inzwischen unten im Rathaus eingerichtet worden waren. Nachdem dann die Theelacht darauf hingewiesen hatte, daß das Recht auf ausschließliche Benutzung der Theelkammer als Nießbrauchsrecht an diesem Teil des Grundstücks anzusehen sei und daß dazu auch der Nießbrauch am Zubehör, also dem Hausschlüssel,
gehöre, erteilte schließlich der Magistrat der Theelacht am 28. November 1901 die Genehmigung zur „Beschaffung eines Schlüssels zum Portale“ auf deren Kosten, nicht ohne nochmals auf einen eventuellen Mißbrauch hinzuweisen.
Die Theelacht hatte allerdings schon vorher erklärt, daß sie selbstverständlich für einen Mißbrauch des Schlüssels verantwortlich sei.
Inzwischen bestehen die Haftlokale nicht mehr, das Alte Rathaus ist an den Heimatverein vermietet, der hier sein Museum einrichtete. Die Theelacht aber nutzt nach wie vor ungehindert die Theelkammer, heute wie vor Jahrhunderten, und sie wird das auch weiterhin tun. Eine Störung steht jetzt wohl nicht mehr zu befürchten.
Rudolf Folkerts Ostfriesland Kalender für Jedermann 1985